Bisher können Innovator*innen eine Erfindung in Europa mit einem nationalen oder einem europäischen Patent schützen. Das EPA prüft europäische Patentanmeldungen zentral und erspart Erfinder*innen damit die Kosten paralleler Anmeldungen, während es gleichzeitig eine hohe Qualität der erteilten Patente gewährleistet.
Allerdings müssen erteilte europäische Patente in jedem Land, in dem sie Wirkung entfalten sollen, einzeln validiert und aufrechterhalten werden. Dies kann ein komplexer und potenziell äußerst kostspieliger Prozess sein: die Validierungserfordernisse sind in jedem Land anders und können hohe direkte und indirekte Kosten nach sich ziehen, darunter Übersetzungskosten, Validierungsgebühren (d. h. manche Staaten erheben Gebühren für die Veröffentlichung der Übersetzungen) und Vertretungskosten wie die Anwaltshonorare für die Verwaltung des Patents (d. h. die Zahlung nationaler Jahresgebühren). Diese Kosten können erheblich sein und hängen von der Zahl der Länder ab, in denen der Patentinhaber das europäische Patent validieren will.
Mit dem Einheitspatent entfällt nun endlich die Notwendigkeit komplexer und kostspieliger nationaler Validierungsverfahren. Außerdem wird ein einheitliches Streitsystem (Einheitliches Patentgericht) initiiert, das mehr Rechtssicherheit bei geringeren Kosten bietet.
- Das EPA fungiert als universale Anlaufstelle und ermöglicht eine einfache Eintragung des Einheitspatents.
- Für die Stellung und Prüfung des Antrags auf einheitliche Wirkung sowie für die Eintragung des Einheitspatents fallen keine Gebühren an.
- Nach einer Übergangszeit von sechs Jahren sind nach der Erteilung keine Übersetzungen mehr erforderlich. Während dieser Zeit wird eine Übersetzung nur zu Informationszwecken verlangt; sie besitzt keine Rechtswirkung.
- Für in der EU ansässige KMU, natürliche Personen, Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht, Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen gibt es ein neues Kompensationssystem, das die Kosten für die Übersetzung von Patentanmeldungen abdeckt, die in einer anderen EU-Amtssprache als Deutsch, Englisch oder Französisch eingereicht wurden. Diese Einheiten erhalten einen Pauschalbetrag von 500 EUR, wenn das Einheitspatent eingetragen wird.
- Einheitspatente unterliegen auch nicht dem derzeitigen fragmentierten System der Jahresgebühren: es gibt nur ein Verfahren, eine Währung und eine Frist und keinen Vertreterzwang.
- Die Jahresgebühren wurden auf einem sehr wettbewerbsfähigen Niveau festgesetzt und sind in den ersten zehn Jahren – der durchschnittlichen Laufzeit eines europäischen Patents – besonders attraktiv. Die Anmelder*innen werden aber auch bei den indirekten Kosten sparen. Die Einsparungen sind umso größer, je höher die Zahl der Länder ist, in denen das europäische Patent validiert werden würde.
- So kostet die Aufrechterhaltung eines Einheitspatents für 10 Jahre (durchschnittliche Lebensdauer eines europäischen Patents) weniger als 5.000 €.
- Die gesamte Verwaltung nach der Erteilung wird zentral vom EPA übernommen, was die Kosten und den Verwaltungsaufwand weiter reduziert.
- Das Online-Register wird die Rechtsstandsdaten zu Einheitspatenten enthalten – namentlich zu Lizenzen und Rechtsübergängen. Damit werden auch Technologietransfer und Investitionen in Innovation gefördert.
- Einheitspatente werden einen wahrhaft einheitlichen Schutz verleihen, weil das materielle Patentrecht im Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht harmonisiert worden ist, was den Umfang und etwaige Beschränkungen der Rechte sowie die Rechtsbehelfe bei Verletzung anbelangt.
Quelle: EPO
Kurz zusammengefasst:
- Das Einheitspatent wird in einem einzigen Schritt vor dem EPA eingetragen
- Es bietet einheitlichen Schutz in bis zu 25 Mitgliedsstaaten
- Es sind keine parallelen nationalen Validierungen erforderlich (Verwaltungsverfahren, Gebühren, Übersetzungen)
- Das EPA dient als universale Anlaufstelle für alle nachfolgenden Transaktionen
Beantragung
- Bevor das EPA ein Einheitspatent eintragen kann, müssen Anmelder*innen zunächst ein europäisches Patent erlangen. Es benötigt also nach wie vor eine europäische Patentanmeldung gemäß dem EPÜ.
- Ist ein europäisches Patent erteilt worden, so können Patentinhaber*innen dann einen kostenfreien „Antrag auf einheitliche Wirkung“ beim EPA stellen, um ein Einheitspatent zu erhalten. Dadurch verringern sich der derzeitige administrative Aufwand und die entsprechenden Validierungskosten beträchtlich. Der Antrag ist spätestens einen Monat nach Bekanntmachung des Erteilungshinweises im Europäischen Patentblatt zu stellen.
- Damit ein europäisches Patent als Einheitspatent eingetragen werden kann, muss es mit den gleichen Ansprüchen für alle 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt worden sein.
Quelle: EPO
Reichweite
Das Einheitspatentsystem wurde am 1. Juni 2023 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt hatten 17 Mitgliedstaaten das EPG-Übereinkommen ratifiziert (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Slowenien). Ab 1. September 2024 zusätzlich Rumänien umfassen. Das bedeutet, dass jedes ab dem 1. September 2024 eingetragene Einheitspatent auf den Gebieten von 18 Mitgliedstaaten gelten wird (zweite Generation von Einheitspatenten).
Die Reichweite einer bestimmten Generation von Einheitspatenten bleibt während ihrer gesamten Laufzeit unverändert, auch wenn nach der Eintragung der einheitlichen Wirkung weitere Ratifizierungen des EPG-Übereinkommens erfolgen. Die territoriale Reichweite von Einheitspatenten wird also nicht auf andere Mitgliedstaaten ausgedehnt, die das EPG-Übereinkommen nach der Eintragung der einheitlichen Wirkung durch das EPA ratifizieren.
Quelle: EPO
(c) Manuela de Pretis, WISTO | studioWälder